Das Knurren, ist ein häufiges Thema bei meiner Arbeit als Hundepsychologin. Meistens wird diese Form der Kommunikation als etwas Negatives angesehen.
Hunde sollen uns nicht anknurren, Hunde sollen auch keine anderen Menschen in unserem Alltag anknurren, es sei denn, wir fühlen uns in einer Situation sehr unwohl oder bedroht und unser Hund steht uns knurrend zur Seite. Dann fühlen wir uns sicher und von unserem Hund verstanden, quasi ein eingespieltes Team, das gegenseitig aufeinander Acht gibt.
Achtsamkeit, Gegenseitigkeit oder doch eher Einseitigkeit?
Wenn das Knurren eines Hundes Thema ist und ich die Halter frage, was hast du dann getan, als er geknurrt hat? Ist die Antwort häufig: „Ich habe geschimpft, er darf mich doch nicht anknurren!“
Ist das so? Macht es Sinn einem Hund das Knurren zu verbieten?
Unsere Hunde werden häufig unbewusst in Alltagssituationen gebracht, in denen sie sich schlicht überfordert, unwohl oder unsicher fühlen. Viele Hunde haben überhaupt nicht die Möglichkeiten oder die Zeit bekommen zu lernen, was für uns ganz normaler Alltag ist. Einige von ihnen kennen keine Kinder, keinen Staubsauger, keine Leine und Geschirr, keine Menschen, die sich ihnen in netter Absicht nähern, kennen kein Autofahren, keine großen Menschenansammlungen, oder haben einfach wenig oder gar schlechte Erfahrungen gemacht.
Wird ein Hund plötzlich mit einer Situation konfrontiert, die ihn verunsichert oder sogar in Angst versetzt, dann wird er darauf auch reagieren. Wie und mit welcher Intensität, ist wie bei jedem Individuum unterschiedlich, das Lernerfahrungen sammelt oder verarbeitet.
Bevor ein Hund die Stufe erreicht, in dem er sich überfordert fühlt und dies mit einem Knurren äußert, gibt es meist viele kleine Vorstufen, die signalisieren, dass der Hund sich in einem Konflikt befindet. Die meisten Hunde gehen diese „Stufen“ schrittweise. Sie zeigen viele kleine Signale vor dem Knurren wie zum Beispiel: Gähnen, Kopf abwenden, sich kratzen, ausgiebiges Schnüffeln, manche Hunde vergrößern die Distanz zu dem Auslöser, den sie als bedrohlich erachten, es kann ein Blinzeln sein, sich über die Nase lecken, die Ohren anlegen, Zähne zeigen, etc.
Das heißt, die ganze Zeit sendet der Hund Signale. Werden diese Signale von Niemanden empfangen, weil sie so fein und leise sind, steigt der Hund auf die nächste Stufe, etwas lauter, etwas deutlicher. Er knurrt. Ein Warnsignal, welches fast immer wahrgenommen, leider aber häufig falsch verstanden wird.
Denken wir an die Situation, in der unser Hund erkennt, dass wir uns bedroht fühlen und wir ein Gefühl der Sicherheit erhalten, wenn er uns zur Seite steht. Genau diese Hilfe benötigen unsere Hunde von uns auch, wenn sie sich unsicher oder bedroht fühlen.
Was passiert, wenn wir das Knurren verbieten, indem wir schimpfen oder es anders bestrafen?
Knurren ist ohne Wertung ein Teil der Kommunikation. Wenn wir als Empfänger, dass was der Hund in solch einer Situation sendet, nämlich: “Ich brauche deine Hilfe, ich fühle mich Unwohl!“ wahrnehmen, dann schaffen wir Raum für Vertrauen und Sicherheit. In solch einem Raum verschwinden meistens nach und nach die Situationen, in denen der Hund knurrt, weil er sich unverstanden oder unsicher fühlt.
Ein Hund hat das Recht knurren zu dürfen, er darf mitteilen, wenn er etwas nicht möchte oder ihm eine Situation nicht geheuer ist. Er darf das Tempo bestimmen, indem er eine belastende Situation neu lernt, um sie dann letztendlich neu bewerten zu können.
Autorin: Sylvia Lübke
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