Hin und wieder sehe ich sie auf meinem Spaziergang: Hunde, die mit leeren Augen beinahe robotermäßig neben ihrem Menschen her trotten. Sie blicken nicht auf, sie schnüffeln nicht am Wegesrand, sie lauschen nicht den Geräuschen der Umwelt.
Auf den ersten Blick mögen sie wohl erzogen wirken, doch schaut man sich diese Hunde genauer an, sieht man sofort, dass sie sich in einem tiefen psychischen Abgrund ohne jegliche Hoffnung befinden - in der erlernten Hilflosigkeit.
Der Begriff „erlernte Hiflosigkeit“ wurde geprägt vom Psychologen Martin E.P. Seligman.
Seligman führte Versuche mit Hunden durch, die in einer Box Stromschläge bekamen und es gab nichts, was sie dagegen hätten tun können. Nach einer Weile lagen die Hunde nur noch lethargisch in dieser Box und ließen die Stromschläge regungslos über sich ergehen, auch als sie nun durch ein Fenster hätten flüchten können. Sie befanden sich in einer erlernten Hilflosigkeit.
Die Hunde hatten die Erfahrung gemacht, dass jegliches eigene Handeln zwecklos ist und ergaben sich in ihr Schicksal obwohl es in der neuen Situation sehr wohl einen Ausweg gab.
Durch die erlernte Hilflosigkeit wird die Motivation, auf Reize zu reagieren, erschüttert.
Ein weiterer Versuch mit Ratten zeigte das noch deutlicher:
Eine Ratte wurde in der Hand festgehalten. Zunächst versuchte sie vehement, aus dieser zu entfliehen, was jedoch erfolglos blieb. Die Fluchtversuche der Ratte wurden immer weniger, bis sie letztendlich ganz aufgab.
In diesem Zustand der erlernten Hilflosigkeit wurde die Ratte in ein Wasserbecken gesetzt, aus dem sie nicht aussteigen konnte. Sie schaffte es 30 Minuten, sich über Wasser zu halten. Eine Ratte, die zuvor nicht in der Hand festgehalten wurde, konnte sich 60 Stunden über Wasser halten.
Macht ein Hund also die Erfahrung, dass er immer wieder mit aversiven Reizen konfrontiert wird, egal was er tut, fällt er in eben diese erlernte Hilflosigkeit. Viele Hunde, die häufig über Strafreize konditioniert werden, zeigen diese erlernte Hilflosigkeit. Schaut man sich also diese vermeintlich wohlerzogenen Hunde genauer an, erkennt man sehr schnell, dass es leere Hüllen mit gebrochenen Seelen sind. Unfähig, auf Reize zu reagieren.
Sie haben die Erfahrung gemacht:“ Egal, was ich tue, es wird immer das Falsche sein. Ich habe keine Kontrolle über Situationen.“ Und am anderen Ende der Leine der Mensch, der sagt: „Ich entscheide, wie du dich fühlen wirst. Du triffst keine Entscheidungen. Ich habe die Kontrolle, nicht du!“
Dieses psychologische Phänomen ist sehr mächtig, weil es die Handlungsfähigkeit des Hundes einschränkt. Er wird seiner Kreativität beraubt, seiner Fähigkeit, Alternativen zu erkennen und Probleme zu lösen.
Die Folgen der erlernten Hilflosigkeit sind
→ fehlende Motivation zu willentlichen Reaktionen
→ Unfähigkeit zu lernen
→ Ängste und Depressionen
Aversive Reize müssen aber nicht zwangsläufig Strafreize sein. Entscheidend ist die Wahrnehmung des Hundes über seinen Kontrollverlust. Egal was er auch tut, er hat keinerlei Kontrolle über eine Situation.
So kann auch das sogenannte „Flooding“, die gezielt und bewusst bei Ängsten eingesetzte Reizüberflutung mit dem angstmachenden Reiz, den Hund in die erlernte Hilflosigkeit katapultieren.
Denn beim Flooding wird der Hund dem angsteinflößenden Reiz in einer solchen Menge oder/und Intensität und Dauer ausgesetzt, dass er ihm nicht entkommen kann, egal was er auch versucht. Früher dachte man, man könne dem Hund so beibringen, dass dieser Reiz nicht gefährlich sei. Heute jedoch weiß man, dass das, was beim Menschen sehr erfolgreich angewendet wird, bei Hunden nicht möglich ist, sondern großen Schaden in der Hundeseele anrichtet.
Daher:
- Sorge für Erfolgserlebnisse für deinen Hund. Lasse ihn kleine Such- und Rätselaufgaben lösen
- Setze deinen Hund keinem unnötigen Stress aus
- Lass deinen Hund kreativ sein und belohne erwünschte Verhaltensweisen
- Überlasse deinem Hund auch hin und wieder die Entscheidung (wann er Fressen bekommt, wo ihr spazieren geht, wann und wie lange ihr spielt usw.)
- Sei deinem Hund immer ein verlässlicher Partner und Freund
Autorin: Dagmar Mariß
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