Heute möchte ich ein persönliches Erlebnis mit dir teilen. Einfach, weil ich meine Beobachtungen loswerden möchte – sowohl die bei mir selbst, als auch die bei meinem Knicka.
Wir sind vor 10 Tagen von einem angeleinten Hund attackiert worden.
Ich kann dir nur aus meiner Erinnerung die Situation schildern und weiß – wohl sehr wahrscheinlich dem großen Stress geschuldet – dass da einiges ausgeblendet wurde von meinem Gehirn.
Knicka und ich waren auf unserer Hausrunde unterwegs - die starten wir immer fußläufig, also ohne Auto. Der Weg ist an der Stelle schmal und matschig – wie so ein kleiner Waldweg – allerdings zwischen einem Wohn- und Gewerbegebiet. Auf einmal höre ich von hinten kommend einen jungen Mann brüllen „Halt! Stopp! Bleib stehen! …“. Ich dreh mich um und sehe, wie dieser wild auf seinen Hund ein schimpft, der vor ihm her den Matschweg runterzieht. Der junge Mann hatte seinen Hund überhaupt nicht mehr unter Kontrolle. Er hing wie ein Fähnchen hinten an der langen Leine des großen und kräftigen Hundes.
Der Hund rannte tief bellend und mit direktem Blickkontakt in Richtung Knicka, der vor mir lief – ich war also erstmal noch dazwischen.
Das tiefe Bellen des Hundes und vor allem das „Theater“ von dem jungen Mann, was mich vermuten lassen hat, dass das so nicht das erste Mal passiert, hat mich veranlasst, dass ich eingreife und eben versuche, diesen Hund zu stoppen. Körpersprachlich funktionierte das nicht und als er an mir vorbeirannte, habe ich beherzt in seine lange Leine gegriffen und versucht, ihn festzuhalten. Das hat natürlich nur halbwegs geklappt – schon aufgrund der Geschwindigkeit, die der Hund hatte. Er hat sich dann den Knicka gepackt (ich habe hinterher Spuren am Mantel von Knicka im Nackenbereich gefunden – gsd. hatte er seinen Mantel an) und Knicka hat kurz gequickt. Ich habe dann wohl nochmal an der Leine gezogen und der Hund lief zurück, wickelte dabei seine Leine um meine Beine (autsch) und das Ganze hat mich dann aus dem Gleichgewicht gebracht und ich bin rückwärts hinten rüber gefallen. Direkt auf den fremden Hund :-o.
Irgendwie hat der sich dann befreit und stand kurz mit seiner Schnauze direkt vor meinem Gesicht und ich dachte nur noch „Sch…., das war es jetzt wohl!“.
Aber warum auch immer, vielleicht hatte der junge Mann ihn nun wieder unter Kontrolle, löste sich die Situation auf und der junge Mann ging schimpfend mit dem Hund auf Distanz. Bei mir hatte er sich schon zig Mal entschuldigt während der ganzen Situation und wir tauschten dann noch eben seine Daten aus, falls ich doch noch Verletzungen an Knicka oder mir finden sollte. Auf den ersten Blick war – nachdem ich wieder stand – erstmal alles in Ordnung mit uns. Naja, außer der ganzen Matsche an mir 😉.
Knicka wirkte wirklich äußerlich cool. Dafür, dass er ja immer so Probleme mit größeren Hunden hatte, schien er das gut weggesteckt zu haben. Ich fühlte mich auch okay.
Wir sind dann auf direktem Weg nach Hause, ich erstmal alle Klamotten in die Waschmaschine gestopft und Knicka wollte direkt in den Garten. Dort stellte er sich in die Mitte der Wiese und hat gebellt, gebellt, gebellt und sich alleine nicht wieder eingekriegt. Ich habe ihn dann reingeholt und dann war auch erstmal wieder gut.
Verletzung habe ich keine gefunden, außer ein bisschen warmer Nackenbereich. Tja, und dann kamen die nächsten Tage.
Die ersten drei Tage wollte Knicka überhaupt nicht gehen. Aus der Haustür raus, Bremse reingehauen und gleich wieder rein. Bewegungstechnisch schien aber alles in Ordnung. Er hat im Garten getobt und war körperlich fit.
Ich habe ihn erstmal gelassen und er hat sich halt im Garten gelöst und einmal am Tag bin ich mit ihm an für ihn beliebte und bekannte Orte gefahren. Das ging dann auch ganz gut - zumindest lief er rum und zeigte ganz normales Erkundungsverhalten.
Auf andere Hunde hat er aber sehr sensibel reagiert – egal, wer am Horizont auftauchte. Wie früher, mit einfrieren und Blick nicht abwenden können. Kamen sie näher, ging er sehr schnell in Drohverhalten über. Einen Direktkontakt habe ich vermieden in den Tagen und wir waren nur in Gebieten, wo Anleinpflicht besteht.
Bei mir habe ich festgestellt, dass ich deutlich vorausschauender unterwegs war und bei großen Hunden direkt überlegt habe, wie ich reagiere, wenn die dann nun doch zu uns kommen sollten. Also, auch bei mir saß der Schrecken doch recht tief. Knicka und auch ich brauchten definitiv nach dem Vorfall einen deutlich größeren Abstand zu fremden Hunden!
Um den Fokus aber nicht auf dem Geschehen zu haben, haben wir in den ersten Tagen gezielt Dinge gemacht, die Knicka gut kann und im Alltag Gelegenheiten genutzt, um sein Selbstbewusstsein zu stärken. Völlig unabhängig von anderen Hunden. Also z.B. sich irgendwo rantrauen, was ein bisschen gruselig ist usw.
Ich habe in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung gemacht, dass der Knicka sich in solchen Phasen bewusst „Mutproben“ sucht, um sie dann zu bewältigen. Darauf bin ich dann natürlich auch eingegangen und habe ihn unterstützt, wo er Hilfe von mir brauchte und ihn von Herzen gelobt, wenn er was geschafft hat. Toller Pudel – muss ich an der Stelle einfach mal loswerden.
Zuhause war bzw. ist er nach der Geschichte immer noch deutlich bellfreudiger. Er reagiert z.B. auf leises Gebelle aus der Nachbarschaft, was normalerweise für ihn überhaupt kein Problem ist.
Mittlerweile waren wir auch am „Ort des Geschehens“ – im ersten Anlauf sind wir noch 30 Meter entfernt geblieben. Beim zweiten Anlauf hatten wir einen Hundekumpel mit, da waren wir dann bis vor Ort und Knicka konnte in aller Ruhe nochmal alles abschnüffeln, pinkeln und alles verarbeiten.
Ich habe ihm bewusst die Zeit gegeben, die er brauchte in den letzten Tagen. Weil ich ihn gut kenne, weil ich vor allem weiß, dass er seine Hausrunde liebt und deswegen irgendwann dort vorbeigeht, um sich mit dem ganzen auseinanderzusetzen. Auch für mich war es etwas angespannt, dort wieder vor Ort zu sein.
Das hier soll auf keinen Fall eine „Trainingsanleitung“ sein für ähnliche Situationen, die du vielleicht mit deinem Hund erlebt hast.
Dies ist unser Weg, um so etwas für uns abzuhaken. Mir war es wichtig, das zu erzählen. Denn offensichtlich ist ja erstmal NICHTS passiert – also keine wirkliche Verletzung (okay, ich hatte von der Leine um meine Beine einen wirklich üblen blauen Fleck und die nächsten Tage etwas Nacken/Rücken) und trotzdem hat das ganz viel mit Knicka und auch mit mir gemacht.
Das hat uns erstmal ne Menge Selbstsicherheit gekostet und wir sind empfindlicher, angespannter und besorgter geworden. Natürlich arbeiten wir dran und schauen, dass wir
so schnell wie möglich wieder auf den Stand von vor dem Vorfall kommen – aber das wird wohl noch eine Weile dauern…
Wer mich kennt, der weiß, dass ich in Hundebegegnungen in der Regel sehr ruhig und freundliche agiere, um nach Möglichkeit keinen (weiteren) Stress in die Situation zu bringen und es dadurch womöglich kippen zu lassen. Ich habe mich sehr intensiv mit der Körpersprache in Hundebegegnungen auseinandergesetzt und ich kann sagen, seitdem haben wir fast immer Situationen, die sich ruhig und ohne aversives Vorgehen von meiner Seite aus, lösen lassen. In dieser Situation wusste ich aber sofort, dass ich aufgrund der Körpersprache des Hundes, meinen Hund schützen muss. Deswegen das beherzte Zugreifen in die Leine. Im Nachhinein muss man aber auch sagen, dass ich ein megagroßes Glück gehabt habe! Das Umwickeln meiner Beine hätte mächtig ins Auge gehen können und mir die Knochen brechen können und auch die Schnauze vor meinem Gesicht war wirklich gefährlich.
Wer sich auch intensiver mit der Körpersprache in Hundebegegnungen auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich mein Arbeitsheft, das Video-Seminar oder mein Live-Webinar. Findest du alles hier: Sprich Hund-Shop
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